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In Liebe und Dankbarkeit

Deniz Ramondo

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In Liebe und Dankbarkeit

Am Heiligabend des Jahres 1944 lagen vier schwer erkranke Menschen zusammen gekauert in einem zerbombten kleinen Hauses eines Ortes im heutigen Mandelbachtal/Saarland. Die kleine Feuerstelle hatte kaum noch Glut, um die völlig Erschöpften erwärmen zu können.

So begann die Geschichte von Hanna, Josef, Gerd und Resi.

Das Ehepaar Josef und Hanna, beide schon über 70 Jahre alt, waren gerade beim Holzsammeln im Wald. Plötzlich vernahmen sie ein rascheln und dann sahen sie zwei Kinder im Gebüsch wie sie unterm Schnee mit ihren Fingern nach Gras und Wurzeln suchten. Die Kinder, nicht älter als 10-12 Jahren, waren in einem sehr schlechten Zustand. Hanna und Josef erschraken sehr, als sie die abgemagerten und total verängstlichen Kinder sahen. „Habt keine Angst“, sagt Josef und Hanna leise, „wo sind denn eure Eltern?“
Der Junge und das Mädchen brachten kaum ein Wort heraus. Der Junge erzählte zögernd mit stockenden Worten, dass sie ihre Mutter bei einem Bombenangriff auf der Flucht verloren haben und ihr Vater sei im Krieg.
„Bitte kommt mit uns“, sagten Hanna und Josef, „zuerst müsst ihr mal etwas essen, dann werden wir helfen eure Mutter zusuchen.“ Langsam bekamen die Kinder Zutrauen zu Hanna und Josef und gingen mit ihnen. Die Kinder waren so geschwächt, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnten.
Hanna und Josef trugen die Kinder durch den hohen Schnee in ihr kleines Haus, das von den Bomben in Mitleidenschaft gezogen war. Josef und Hanna hatten das Haus notdürftig wieder repariert.
Sie hatten selbst keine Kinder. Sie machten den beiden Kindern Gerd und Resi das Leben so schön wie sie konnten, als wären sie ihre eigenen Kinder. Resi und Gerd gewannen ihre Pflegeeltern bald sehr lieb und erholten sich zusehend.
Josef war auf seinem täglichen Rundgang nach etwas Essbarem, immer wieder auf gute Menschen gestoßen, die ihm etwas von ihrer Milch, Eier und Mehl abgaben. Dafür half Josef ihnen wiederum in Haus und Garten. Josef war ein Tag vor Heiligabend mit einem kleinen Beutel voller Geschenke, die er und seine Frau den Kindern am Heiligabend schenken wollten, nach Hause gekommen. Josef war so in Freude und sah schon im Geiste am Heiligabend die Augen von Gerd und Resi, wie sie sich über die kleinen Geschenke riesig freuen. Die ganze Zeit aber, spürte Josef irgendein Zittern an seinen ganzen Körper, dann wurde er immer schwächer und brach 10 Meter vor seinem Haus zusammen.
Im Haus lagen Hanna und die Kinder auf dem Boden mit schweren Magenkrämpfen. Josef hörte ein Stöhnen und ein Wimmern im Haus. Mit letzter Kraft schleppte er sich ins Haus um seinen Lieben zu helfen. Doch er war nicht mehr in der Lage. Er konnte gerade noch einige Holzstücke in den Kamin legen, dann brach er bewusstlos zusammen. Bis zum anderen Morgen hatte das Feuer nur noch wenig Glut.
Josef, Hanni, Gerd und Resi lagen zusammen gekauert wie tot im kalten Raum.
Am Morgen des Heiligabends, waren alle Vier so stark geschwächt, dass sie dem Tode nahe waren.
Eine junge Frau war seit Wochen auf der Suche nach ihren beiden Kindern. Es war Marga, die Mutter von Gerd und Resi. Überall suchte sie verzweifelt nach ihren Kindern, die sie bei einem Bombenangriff während der Flucht aus den Augen verloren hatte. Man sagte zu ihr ein paar Mal, als sie nach ihren Kindern suchte, die sie genau beschrieb, die Kinder wären bestimmt bei Bombenangriffen ums Leben gekommen. Aber ihre Mutter die bei einem Bombenangriff verletzt wurde - und dadurch ein paar Tage bewusstlos war, hatte, als sie wieder zur Besinnung kam, in ihrer tiefen Verzweiflung sich an den letzten Strohhalm geklammert und gehofft, dass gute Menschen ihre beiden Kindern bei sich aufgenommen haben.
Am Morgen des Heiligabend kam Marga in die Gegend vom heutigen Mandelbachtal. Auch hier suchte sie nach ihren Kindern. Von einer Frau, die Holz sammelte, erfuhr sie, dass zwei Kinder bei einem älteren Ehepaar untergekommen seien. Sie beschrieb ihr den Weg.
Marga war in diesem Moment in ihrem Herzen so voller Hoffnung, als sie diese Nachricht erhalten hat.
Am Mittag des 24. Dezember 1944, kam Marga zu dem Haus von Hanna und Josef, das die gute Frau ihr beschrieben hatte.
Mit pochendem Herzen und lauter Stimme rief sie nach ihren Kindern. Doch es rührte sich nichts. Sie blickte durch die notdürftig reparierten Fenster und sah irgendwas das sich auf dem Boden bewegte. Jetzt hörte sie auch Wimmern von Sterbenden. Wie oft hatte sie dieses Todesröcheln und Wimmern von Sterbenden im Krieg gehört. Sie lief um das Haus herum und musste jetzt handeln. „Irgendwas ist hier passiert“, dachte Marga voller Panik. Sie drückte die nicht verschlossene Tür ein und sah vier Menschen, die mit dem Tode rangen. „Mein Gott“, schrie sie, „die Kinder.“
Verzweifelt und glücklich zugleich, fühlte sie den Puls bei allen. „Sie leben“, schrie sie, „sie leben, mein heiliger Gott, sie leben.“ Schnell deckte sie die Schwerkranken fast Erfrorenen mit allem was wärmt zu. Dann legte sie Holz nach. „Heißes Wasser, ich brauche heißes Wasser.“ Sie nahm von Draußen Schnee und machte heißes Wasser im Topf. Als Marga die Vier in ihrem Erbrochenen liegen sah, ahnte sie sofort, dass die Kinder und ihre Retter was gegessen haben müssen, was ihnen fast den Tod gekostet hatte.
Nachdem sie erste Hilfe geleistet hatte, lief Marga so schnell sie konnte um irgendjemand um Hilfe zu holen. Sie sah eine Frau mit einem Korb. „Mütterchen“, rief sie, „können Sie mir helfen?“ „Was ist geschehen“, fragte die Frau erschrocken. Mit wenig hastigen Worten berichtet Marga was geschehen ist. Mit eilenden Schritten schleppten sie sich durch den hohen Schnee zum Haus von Josef und Hanna. „Heißes Wasser, wir brauchen viel heißes Wasser“, rief die Frau. Gott sei Dank hatte Marga schon heißes Wasser vorbereitet. Maria die von Beruf Hebamme war, hatte hier durch ihre Erfahrung in Krankenpflege den Schwerkranken helfen können.
Es dauerte noch eine Zeitlang, bis die Geretteten sich ganz erholten. Maria bat Josef und Hanna sowie die Kindern und ihre Mutter, bei ihr im Haus zu wohnen, denn sie hat so viel Platz und das Haus blieb von Bombenangriffen bisher weitgehend verschont. Dankbar nahmen sie Marias Wunsch an. Leute vom Dorf brachten Josef, Hanna und die Kinder in Marias Haus. Am Heiligabend waren sie alle zusammen. Obwohl Josef, Hanna und die Kinder noch sehr geschwächt waren, sah man in ihren Augen eine tiefe Dankbarkeit und Liebe.
Zur Jahreswende 1944 auf 1945 standen sie alle Draußen im Garten in der Hoffnung, dass der furchtbare sinnlose Krieg zu Ende gehen möge. Gemeinsam, wie so oft, beteten sie zum Lieben Gott, er möge allen Leidenden helfen und dass der grauenhafte Krieg ein Ende findet.
Erst im Mai 1945 ging dieser Wunsch in Erfüllung. Nach dem Krieg konnten Josef und Hanna ihr Haus, wie so viele andere auch, nach und nach wieder aufbauen. Sie waren alle Maria und den anderen Menschen, die ihnen in der Not zur Seite standen, für ihre selbstlose Hilfe sehr dankbar. So entstand eine tiefe Freundschaft aller, über den Tod hinaus.

Marga und die Kinder blieben auf Wunsch von Maria zusammen im großen Haus. Sie war für sie und die Kinder wie eine liebe Oma.
Margas Mann und Vater von Gerd und Resi, kam nicht mehr aus dem Krieg zurück, er war in Lenigrad gefallen.
Maria starb im Juni 1955, Josef starb im Januar 1956 und Hanna starb im Juli im gleichen Jahr.

Heute, nach all den vielen Jahren, ist in Resi und ihrem Bruder Gerd alles noch in ihren Herzen von damals gegenwärtig.
Sie wohnen beide noch heute in dem Haus, das Oma Maria, wie sie die damalige Hebamme liebevoll nennen, ihnen und ihrer Mutter geschenkt hatte.

Als sie uns ihre Geschichte von damals erzählten, schauten sie immer wieder vom Fenster aus zum Friedhof. „Dort liegen unsere Lieben, die wir immer in unseren Herzen tragen“, sagten sie leise mit Tränen in den Augen. Gerd zeigte stumm auf sein Herz, beide konnten kaum ihre Tränen unterdrücken: „Da drinnen sind sie für immer.“ Am Kamin stehen zwischen Blumen und einigen Erinnerungsstücken eingerahmte Bilder von ihrer Mutter, von Josef, Hanna, Maria und anderen guten Freunden, die alle im Himmel sind, wie Resi mit stockender Stimme sagte „Unsere Mutter ist Januar 1980 gestorben, sie hatte nicht wieder geheiratet.“

Wir geben uns beim Abschied stumm die Hände, kein Wort hätte jetzt einer von uns noch sagen können. Ich las in ihren Augen was sie immer im Herzen tragen. Erinnerungen in unendlicher Liebe und Dankbarkeit, für immer.



Alle Namen sind frei erfunden oder geändert. Übereinstimmungen sind rein zufällig und sind nicht gewollt!

Glauben Sie an alles was wahr ist

Autoren: Deniz Ramondo und Walter Matthias Näckel

 
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